Sonntag, 9. Februar 2020

Lee Krasner: Living Colour - im Zentrum Paul Klee, Bern


Through Blue, 1963

Wieder widme ich einen Blogbeitrag einer Künstlerin, die erst spät Anerkennung gefunden hat. Diesmal ist es Lee Krasner, deren Werk und Rolle als Male­rin der ersten Gene­ra­tion des Abstrak­ten Expres­sio­nis­mus bisher kaum außer­halb der USA gewür­digt wurde. Wahrscheinlich deshalb, weil sie in erster Linie als die Ehefrau des berühmten Malers Jackson Pollock gesehen wurde. Lee Krasner sagte mal in einem Interview 16 Jahre nach Pollocks Tod: «And I think even today it’s diffi­cult for people to see me, or to speak to me, or observe my work, and not connect it with Pollock. They cannot free them­sel­ves». («Ich glaube, es ist noch heute schwierig für Leute, mich zu treffen, mit mir zu sprechen oder meine Arbeit zu betrachten, ohne es mit Pollock in Verbindung zu bringen. Sie können sich nicht davon befreien.»)
Die umfas­sende Retro­spek­tive ihres Werks in Europa begann Sommer 2019 in der Barbi­can Art Gallery in London, reiste dann im Herbst 2019 zu der Schirn Kunsthalle Frankfurt und ist jetzt im Zentrum Paul Klee in Bern zu sehen. Die letzte Station wird das Guggenheim Museum in Bilbao sein. Fast 100 Werke werden ausgestellt.

Selbstbildnis, 1928
1908 wurde sie als Lena Krassner in einer jüdischen Familie in Brooklyn geboren. Ihre Eltern stammten aus der Nähe von Odessa im Russischen Kaiserreich (heute Ukraine). Wegen der Pogrome flüchteten sie in die USA. 
14-jährig brach Lee mit dem Judentum. Sie fühlte sich schon damals zu Künstlerin berufen und bewarb sich an der Washington Irving High School – der einzigen höheren Schule in New York, die einen Kunstkurs für Mädchen anbot. 1926 folgte ein Studium an der Women’s Art School des Cooper Union. Ab 1929 studierte sie an der National Academy of Design, wo sie erstmals in einer gemischtgeschlechtlichen Klasse studierte. Drei Jahre später musste sie die Academy aus finanziellen Gründen verlassen. Sie besuchte daraufhin die kostenlosen Kurse am City College of New York und jobbte nebenher als Kellnerin.

Kubismus/Abstraktion
Von 1935 bis 1945 verdiente Lee Krasner (ein «s» hatte sie inzwischen aus ihrem Namen eliminiert) erstmals ein bisschen Geld mit ihrer Kunst. Sie nahm am WPA-Federal-Art-Project teil, das ihr – wie auch anderen jungen Künstlern wie Pollock und Rothko - zahlreiche Aufträge für die Ausgestaltung öffentlicher Gebäude verschaffte. 1937 erhielt sie ein Stipendium für ein Studium in der privaten Kunstschule des  Malers Hans Hofmann. Der hatte einen so grossen Einfluss auf sie, dass sie sich der kubistischen Abstraktion zuzuwenden begann. Auch auf Krasners Entwicklung vom Kubismus zur freien Abstraktion hatte Hofmann maßgeblichen Einfluss.
Aktstudie, 1938
Aber auch Hofmann konnte sich die chauvinistische Bemerkung nicht verkneifen, indem dem er ihre Arbeiten einmal so kommentierte: „Das ist so gut, dass man nicht merkt, dass es von einer Frau gemalt wurde.“ (Cindy Nemser: Art Talk: Conversations with Twelve Women Artists. New York 1975, S. 80–112)

Little Images
Ende der 1940er Jahre schuf Lee Krasner eine Reihe  kleinere farbenfrohe Werke, die sie Little Images nannte, die beim Publikum gut ankamen.
Composition, 1949

Stop and Go, 1949/50
Black and White Squares No. 1, 1948


Shattered Color, 1947

Abstract Nr. , 1946-48

Collage Paintings
Krasner trat den der Gruppe American Abstract Artists (AAA) bei und konnte 1940 als Mitglied dieser Gruppe ihre Arbeiten zum ersten Mal der Öffentlichkeit ausstellen. 1941 gab es wieder eine AAA Sammelausstellung, diesmal waren auch Ferdinand Léger und Piet Mondrian dabei, nachdem sie sie überredet hatte, ebenfalls Mitglied der AAA zu werden.
1945 heirateten Krasner und Pollock und zogen aufs Land, um ungestört arbeiten zu können.  Hier entstanden Pollocks grossformatige Bilder.

1951 hatte Krasner ihre erste Einzelausstellung in der Betty Parsons Gallery in New York. Die 14 neuen, abstrakten Gemälde wurden von der Kunstkritik vorwiegend positiv aufgenommen, aber es wurde kein einziges Bild verkauft., was Krasner in eine Krise stürzte Voller Verzweiflung schuf sie eine Serie von Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die sie aber sofort wieder zerriss. Als sie das Atelier erst einige Wochen später wieder betrat, begann sie, die zerfetzten Teile wieder zusammenzukleben. Zusätzlich zerschnitt sie alte Ölgemälde und schichtete das Ganze zusammen mit anderen Materialien und Teilen von Pollocks verworfenen Zeichnungen auf den nicht verkauften Gemälden aus der Betty-Parsons-Ausstellung auf. Diese „collage paintings“ stellte sie 1955 erfolgreich in der New Yorker Stable Gallery aus.
Shattered Ligh, 1954
Burning Candles, 1955
Forest No. 2, 1954
Ohne Titel, 1954

Nächtliche Reisen
Nach Pollocks Tod übernahm sie dessen grosses Atelier. Nun konnte sie sich auch an grössere Arbeiten wagen. Sie litt an Schlaflosigkeit und arbeitete deswegen auch nachts. Da sie aber nie in Kunstlicht malen wollte, arbeitete sie nur in Umbrafarben. Im Gegensatz zu Pollock, der seine Werke auf dem Boden schuf, hängte sie die Leinwände lose an die Wand.

Polar Stampede, 1960
 
The Guardian, 1960


The Eye is the First Circle, 1960


Primary Series
Bald darauf kehrte sie zu den Farben zurück.
Siren, 1966

Another Storm, 1963
Crysalis, 1964
Happy Lady, 1963
Icarus, 1964
Palingenesis, 1971
Eleven Ways

Future Indicative, 1977

Imperative, 1976

Imperfect Indicative, 1976
Lee Krasnerhat sich immer dagegen gewehrt, lediglich als Frau Pollock wahrgenommen zu werden. 1971 erscheint ein Aufsatz in der Zeitschtrift Artnews von Januar "Why Have There Been No Great Women Artists?" Darin beschreibt die Autorin Linda Nochlin die Barrieren, die sich den weiblichen Künstlern entgegenstellen auf dem Weg nach Anerkennung. Ein Jahr später tritt Krasner der Gruppe "Women in the Arts" bei und demonstriert vor dem Museum of Modern Art, um gegen die Diskriminierung von Frauen in der Kunst zu protestieren.

Dies ist nur eine Auswahl der Bilder, die im Zentrum Paul Klee zu sehen sind. Sie reflektieren meine persönliche Vorliebe.

Quellen:
Eugen El in: Jüdische Allgemeine 06.02.2020
Wikipedia
Ilka Voermann in: ACHIRNMAG, 14.03.2019
The Guardian: Storms of Color from a wild destructive genius - Lee Krasner review
Sophie Gilbert: The Irrepressable Emotion of Lee Crasner, The Atlantic, 13.06.2019
Eleanor Nairne und Ilka Voerman: Lee Krasner, Living Colur, Katalog zur Ausstellung